Mitunter kreuzen sich Wahrnehmungen und Erinnerungen. Mitunter wird ein aktueller Fund zum Tor in die Vergangenheit. Und mitunter ist für den einen neu, aufregend und bis dato unbekannt, was für die andere wie ein Gruß aus alten Zeiten scheint. So geschehen dieser Tage.
Nationalparkmitarbeiter Christian Baumgartner berichtet von einen Erlebnis im Zuge eines Spaziergangs durch die Aulandschaft:
"In der Natur gibt es immer wieder Überraschungen. Man hält Ausschau nach wandernden Fröschen und plötzlich liegen mehrere fußballgroße Kugeln im Wald. Hat das Hochwasser ein paar Erdkugeln durch den Wald gerollt, sind Krebswucherungen vom Baum gefallen oder ist es angeschwemmtes Spielzeug? Oder hat wieder einmal jemand ungerechtfertigt abgestorbene Blumentöpfe im Wald ausgeleert?
So etwas greift man der Vorsicht wegen nicht gleich mit den Händen an, daher ein zarter, aber doch mit gewissem Nachdruck ausgeübter Stoß mit dem Wanderschuh. Das Klumpert soll sich ja umdrehen, damit sein geheimes Wesen erkennbar wird. Das war ein Fehler: Der schwere Wanderschuh trifft auf einen luftigen, scheinbar völlig masselosen und dem Stoß willig nachgebenden Hohlkörper, der sich eindellt und mit dem Luftstrom bis in Nasenhöhe eine kräftige Wolke feinsten Staubes entlädt.
Ein Riesenbovist! Von den Mykologen Calvatia (mitunter Langermannia) gigantea genannt, der laut Literatur bis zu 60 (!) cm Durchmesser erreichen kann. Noch nie gesehen und unvergesslich! Immerhin habe ich ihm bei der Verbreitung geholfen. Erstaunlicherweise hat er keinen Schaden genommen und auch seine Verankerung im Boden hat nicht gelitten. Seine Konstruktion ist wohl darauf ausgelegt, mit größeren Säugetieren mehrfach in Kontakt zu kommen."
Beweisfotos schickt Christian mit, damit der Fund im Blog seine berechtigte Bühne bekommt. Nationalparkmitarbeiterin Erika Dorn liest seine Schilderungen. Augenblicklich reist sie Jahrzehnte zurück, denn die eigentümliche Kugel ist ein alter Bekannter, wenn auch seit langer Zeit nicht mehr gesichtet:
"Lieber Christian, es gibt noch mehr zu diesem Wunderding: In jüngerer Variante, weiß, ledrig, in Scheiben geschnitten ergibt es echt köstliche Schnitzel.
In meiner Kindheit hab ich oft Riesenbovist paniert gegessen, da er bei uns daheim am Stadtrand auf den Wienerwaldwiesen wuchs - und einmal auch mitten in Wien auf einem Kasernengelände, von wo er dann ebenfalls den Weg in unsere Küche fand. Daher kenn ich ihn allzu gut und musste über dein Staunen lachen."
Nun, was es über diesen außergewöhnlichen Pilz zu wissen gibt, kannst du unter anderem hier nachlesen. Dass die kulinarische Erinnerung nicht trügt, ist hier belegt - und viele Fotos des Pilzes in allen Stadien, von essbar bis zu jenem sehr späten Zustand, in dem er jetzt als Relikt des Vorjahres gefunden wurde, bietet Wikimedia Commons hier.
Abschließend: Triffst du diesen Schatz im Nationalpark Donau-Auen an, lass ihn bitte jedenfalls dort, als Teil der geschützten Artengemeinschaft. Sollte er sich aber, wie der Zufall will, mal in deinem Garten erheben: Guten Appetit! ;-)
Erika Dorn