Auf der Schlossinsel wurde im Frühjahr ein neuer Waldspielbereich für Kinder geschaffen, der ausschließlich aus Naturmaterialien besteht. Im Rahmen meines Schlossinsel-Praktikums konnte ich dieses Spieldickicht nicht nur mitgestalten, ich durfte auch meine eigenen Ideen und Wünsche einbringen.
Geplant wurde das Dickicht mit den Naturgartenelementen von Felicia Lener (Leiterin der Schlossinsel), die Umsetzung und Gestaltung dieser Elemente lag bei mir. Abgesehen von einem grob gesteckten Rahmen konnte ich sehr frei entscheiden und unabhängig am Dickicht arbeiten.
Ziel dieses neuen Waldspielbereichs auf der Schlossinsel ist es, Kindern einen Ort zu geben
den sie frei und ohne Interventionen gestalten können
wo sie ohne Erwachsene sind und sich zurückziehen können
wo sie interaktive, selbst gestaltete Prozesse in der Natur erleben können
wo sie staunen, entdecken und rätseln können
Dafür wurden folgende Elemente und Objekte auf der Schlossinsel errichtet:
ein 25m langer Kriechtunnel mit Unterbrechungen, einer Verzweigung und Fenstern aus Weiden und Waldreben
ein Waldtipi aus Ästen, Schilf und Weiden
drei Natur-Sitzgelegenheiten
eine Laub- bzw. Heu-Mulde
ein lebensgroßer Hirsch aus Weidengeflecht
zwei Knochen-Fabelwesen
einige Nester von Vögeln inkl. Beschriftung
Die Materialen für den Waldspielbereich stammen aus dem Nationalpark Donau-Auen (z.B. Haselstecken, Clematis, Weiden, Schilf, Steine), dem Fundus der Schlossinsel (Knochen, Geweih, präparierte Tiere, Nester) sowie aus dem Versuchsgarten der HBLFA Gartenbau Schönbrunn. Wir durften die Weiden des dortigen Weidengartens schneiden und verwenden.
Das Areal, auf dem das Spieldickicht errichtete wurde (ca. 200m2), war ursprünglich ein Verbindungsweg zwischen dem Kompostplatz und dem nordwestlichen Eck des Zieselgeheges. Der Weg wurde vor mehreren Jahren aufgelassen und hatte sich zu einem undurchdringlichen Dickicht, hauptsächlich aus Haselsträuchern und Hartriegel entwickelt.
Beim Bau und der praktischen Umsetzung des Dickichts gab es vom Schlossinsel-Team (Felicia Lener und den Gärtnern Roland Pavek, Günter Landsmann) sowie zahlreichen freiwilligen Helfern (Maria Schindler, Stefanie Maurer, Anna Berger, Max Stelzle, Nina Waldhäuser, Elisabeth Haid, Urs Lener) tatkräftige Unterstützung.
Die Errichtung des Waldspielbereiches mit all seinen Features stellte sich nämlich als aufwendiger und komplizierter dar, als anfangs gedacht. So zögerte sich der Tunnelbau zu Beginn vor allem durch den noch gefrorenen Boden hinaus. Allem in allem war ich fast zwei Monate ausschließlich mit dem Tunnelbau, dem Weidenhirsch und der Gestaltung des Spielbereichs beschäftigt.
Ziel war und ist es, einen Ort zu kreieren, der primär nicht von Erwachsenen, sondern von Kindern gestaltet, errichtet und umgestaltet wurde und wird. Aus diesem Grund haben wir auch Kinder eingeladen, die uns tatkräftig beim Bau unterstützten. Die Kinder halfen, das Tunnelgerüst mit Hasel- und Weidenstecken blickdicht zu flechten und ein Waldhaus zu bauen. Für eine stabile und sichere Grundkonstruktion wurde vorab vom Gärtnerteam gesorgt. Die Kinder waren hoch motiviert und bauten in kürzester Zeit die Wände des Waldhauses auf und flochten fleißig am Tunnel weiter.
Allerdings muss auch erwähnt werden, dass die Wünsche einiger Kids mit denen ihrer Freunde und uns vom Schlossinselteam kollidierten. So errichtete die eine Gruppe eine Sitzbank im Tunnel, die darauffolgende baute sie wieder ab. Wir Erwachsenen bauten in dem Tunnel eine Abzweigung ein, eine Kindergruppe baute die Abzweigung wieder ab. Ein Teil der Kinder errichtete eine (instabile) Zwischendecke im Waldhaus, wir mussten diese aus Gründen der Sicherheit wieder entfernen. Erstaunlicherweise baute die nachfolgenden Kindergruppe wieder eine (instabile) Zwischendecke ins Waldhaus ein. Um einen sicherheitstechnisch unbedenklichen Kompromis dieses eindeutigen Kinderwunsches, zu finden, habe ich mich entschlossen, die Zwischendecke zu verkleinern und fest zu verankern. Diese kann nun als Sitzbank auch von größeren Kindern genutzt werden.
Ein aus Weiden geflochtener lebensgroße Hirsch hat einen großen Teil meiner Arbeitszeit in Anspruch genommen! Ich musste mich dieser Art des Weideflechtens nämlich mit viel trial and error annähern. Dass der Hirsch auch tatsächlich auf seinen vier Beinen stehen bleibt und von den Proportionen richtig ausschaut hat lange gedauert.
Kreiert habe ich zudem zwei Knochenfabelwesen. Dabei handelt es sich auch um Ratespiele. Die Kinder sollen sich überlegen können:
Gibt es wirklich so ein Tier?
Und wenn nicht, welche Tiere wurden hier aus den Knochen zusammengebaut?
Ein kleines Heft verrät die Lösung zu den Tierknochen und dem Fundort.
Der Hirsch, die Knochenfabelwesen sowie die Vogelnester sollen die Fantasie und das Vorstellungsvermögen der Kinder stärken. Da das Berühren der Objekte kaum zu vermeiden ist, müssen wir davon ausgehen, dass diese Fabelwesen nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Wir werden diese immer wieder reparieren müssen.
Einen Unterschlupf oder ein Lager zu bauen ist ein beliebtes Spiel für Kinder. Im Zuge meines Kunstpädagogik-Studiums schreibe ich gerade eine Arbeit zu diesem Thema. Bis jetzt konnte ich durch die Dokumentation zahlreicher von Kindern gebauten Waldhütten bereits einige Merkmale dieser Spielrelikte feststellen. So geht es für Kinder bis 10 Jahren oft gar nicht um das Endprodukt „eine schöne, stabile Hütte“, sondern um den Prozess. Der Bau, die Konstruktion selbst ist das Spiel. In diesem Spiel kann die Fantasie sich frei entfalten, ein Verständnis für Raum, Konstruktion und Materialbeschaffenheit aufgebaut werden, Geschicklichkeit geübt, lösungsorientiertes Denken gelernt werden und vor allem eine Verbindung mit Naturräumen entstehen. Aus umweltpädagogischer Sicht ist gerade der letztere Punkt sehr wichtig, denn um sich als Erwachsene/r für Umweltschutz zu engagieren, ist es notwendig, viele positive Erfahrungen mit der Natur zu sammeln.
Der jetzige Waldspielbereich ist ein Kompromiss aus der kindlichen Gestaltung und den von uns festgelegten Kriterien wie Sicherheit, Dauerhaftigkeit und Naturschutz. Langfristig ist es allerdings wichtig, den Kindern auf dieser Fläche Material zur Verfügung zu stellen, um neu, an- oder weiterbauen zu können. Meine Recherchen bezüglich von Kindern gebauten Waldhütten haben ergeben, dass diese tendenziell instabil, eng, klein und undicht sind. Sie werden an einem Nachmittag aufgebaut, dann womöglich von einem Sturm zerstört und in der darauffolgenden Woche von anderen Kindern wieder neu gebaut oder denselben Kindern wieder repariert, verbessert, umgestaltet.
Dabei spielen verschiedene Gegenstände (wie Äste, Zweige, Knochen, gefundener Müll) eine symbolische Rolle. Kinder tauchen in das sogenannte Als-Ob-Spiel ein. Eine mit Zweigen angehäufte Stelle symbolisiert z.B. das Lagerfeuer, eine abgefallene, gerundete Baumrinde ist am Dach angebracht und steht für die Dachrinne, ein kaputtes Keramikgefäß wird im Boden eingegraben und fungiert als Klo. Um Kindern dieses Als-Ob-Spiel zu ermöglichen, ist es wichtig die entsprechenden Materialien zur Verfügung zu stellen.
Auf öffentlichen Spielplätzen sind Kinder hauptsächlich mit Spielgeräten konfrontiert, die fest verankert und klar vorgegeben sind und nicht zur Umgestaltung gedacht sind. Einzig der Sandkasten bietet einen modellierbaren Spielbereich auf Spielplätzen. Am Land oder am Stadtrand gibt es manchmal noch die "Gstettn", wo Kinder fernab der Erwachsenen spielen können. Da es aber tendenziell immer weniger Spielflächen gibt, die der freien Gestaltung der Kinder unterliegen, ist es umso wichtiger ihnen Orte dieser Art zu bieten. Dafür benötigen Kinder eine Fülle an verschiedensten Materialien, am besten Totholz, Laub, Clematis, Knochen und Äste. Als Erwachsene müssen wir es tolerieren, dass in weiterer Folge Konstruktionen entstehen und wieder verfallen oder kaputtgehen und dass es auch nicht unbedingt „aufgeräumt“ ausschauen muss. Andernfalls wäre es kein Spielbereich, sondern ein Museum.
Elisabeth Emmer
Praktikantin auf der Schlossinsel von 1.2. bis 7.5.2021