Am 11. August wurde im Nationalpark Donau-Auen eine etwa 10 Millimeter große Sensation, ein „lebendes Fossil“ gefunden. Einige vom Aussterben bedrohte Urzeitkrebse wurden nach dem Hochwasser vom 19. Juli auf der Lackenwiese bei Stopfenreuth entdeckt.
Die Urzeitkrebse, auch Branchiopoda genannt, leben in unveränderter Form seit etwa 500 Millionen Jahren. Solange fortbestehen konnten sie unter anderem durch die Fähigkeit, sogenannte Dauereier zu legen. Diese Eier sind mit einem Sekret umhüllt, um sie vor Belastungen zu schützen und sind daher imstande, mehrere Jahre auch ausgetrocknet zu überdauern. Sobald jedoch eine Fläche, auf der Dauereier abgelegt wurden, für längere Zeit überschwemmt ist und auch andere Umweltparameter günstig sind (beispielsweise Temperatur, Jahreszeit), erwachen die kleinen Krebstiere zum Leben und schlüpfen.(1) Aufgrund ihrer Lebensweise, die an länger anhaltende Überschwemmungen auf bewirtschafteten Flächen (Äcker, Wiesen) gebunden ist, sind Urzeitkrebse in ganz Europa gefährdet.(2)
Bei der im Nationalpark gefundenen Art handelt es sich um den besonders stark bedrohten Linsenkrebs Limnadia lenticularis, von dem auch ein Weibchen mit Eiern unter dem Panzer gefunden wurde (siehe Bild). Der Linsenkrebs ist laut der Roten Liste Österreichs vom Aussterben bedroht und das Fortbestehen der Art ohne entsprechende Schutzmaßnahmen wird als unwahrscheinlich eingeschätzt. Zu diesen Schutzmaßnahmen gehört besonders die Erhaltung der hydrologischen Dynamik der Donau östlich von Wien.(3) Dabei spielt der Nationalpark Donau-Auen eine wichtige Rolle, da aufgrund seines besonderen Schutzstatus Überschwemmungsflächen erhalten und teilweise auch wieder neu hergestellt werden konnten und können.
Auf manchen Wiesenflächen im Schutzgebiet bleibt das Wasser nach einem Hochwasser in Sutten bis zu mehreren Wochen lang stehen. In diesen wassergefüllten Senken können sich nach mehreren Tagen bzw. Wochen Urzeitkrebse entwickeln. Im Nationalpark Donau-Auen konnte bereits jede vierte österreichische Art erfasst werden.
In Überschwemmungsgebieten der Donau wurden im Jahr 1997 erstmals männliche Exemplare der auch jetzt gefundenen Art Limnadia lenticularis nachgewiesen. Bis dahin wurde angenommen, dass diese Urzeitkrebse sich asexuell fortpflanzen, da zuvor nie ein männliches Exemplar gefunden werden konnte. (4)
Besonderer Dank für den aktuellen Fund gilt den beiden Entdeckern Birgit Rotter und Franz Kovacs vom Nationalparkbetrieb Donau-Auen der Österreichischen Bundesforste.
Valentin Specht
Praktikant im Nationalpark Donau-Auen
(1) Hödl & Eder (2000)
(2)] Eder E. (2021)
(3)] Hödl & Eder (2000)
(4)] Eder et al (2000)
Quellen:
Eder, E. (2021): Threats and Conservation, https://homepage.univie.ac.at/erich.eder/UZK/schutz/index.html#obeneUrzeitkrebse
Eder, E.; Richter, S.; Gottwald, R. & and Hödl, W. (2000): First record of Limnadia lenticularis males in Europe. Branchiopoda: Conchostraca, Journal of Crustacean Biology 20 (4): S.657-662.
Hödl, W. & Eder, E. (2000): Urzeitkrebse (Branchiopoda: Anostraca, Notostraca, Conchostraca), In: Rote Listen ausgewählter Tiergruppen Niederösterreichs. Amt der NÖ Landesregierung, St. Pölten., S.4-33.